MPA Blog

Fachkräfte finden – wie bleibe ich als Arbeitgeber attraktiv?

Der Ärzte-Event von Zur Rose zum Thema Fachkräftemangel bot spannende Einsichten. In zwei inspirierenden Keynotes und einem Podiumsgespräch gingen Expertinnen und Experten der Frage nach, welche Faktoren darüber entscheiden, wie eine Hausarztpraxis die besten Mitarbeitenden für sich gewinnen kann.

 

«Suche MPA, biete Kreuzfahrt» – die Headline, die Andrea Rutishauser an die Fabrikwand projiziert und mit der sie ihre Rede in der Giesserei Oerlikon eröffnet, zieht das Publikum sogleich in ihren Bann. Was müssen Ärztinnen und Ärzte bieten, um an neue Mitarbeitende zu kommen? Tatsächlich hat ein Hausarzt in Deutschland mit einer solchen Werbezeile um medizinische Fachangestellte geworben. Dass auch Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz bald auf solche Ideen kommen, scheint nicht abwegig.  

«Alle medizinischen Berufe leiden unter Fachkräftemangel», stellt Organisationsentwicklerin Rutishauser klar. Die Veranstaltung von Zur Rose, zu der sich rund drei Dutzend Medizinerinnen und Mediziner eingefunden haben, will der Frage nachgehen, was Arbeitgeber tun können, damit der Markt an Fachkräften nicht so stark austrocknet.

Man vergesse oft, dass es in Praxen ja schon gute Leute habe. Die zentrale Frage sei deshalb, was man für die Personen tue, die schon da seien. «Diese Leute sind sehr gute Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, um andere Fachkräfte hereinzuholen», sagt Rutishauser. Voraussetzung sei natürlich, dass sie sich an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlten.

Warum verlassen Mitarbeitende ein Unternehmen? Neben offensichtlichen Gründen wie Überlastung oder anspruchsvollen Patientinnen und Patienten seien es vornehmlich die Dinge, die ausscheidende Mitarbeitende eben nicht explizit äusserten, die zu Kündigungen führten, sagt Rutishauser. Namentlich seien dies das schlechte Arbeitsklima sowie die mangelnde Wertschätzung. Mit 45% der Hauptgrund, warum Arbeitnehmende ein Unternehmen verlassen würden, sei aufgrund ihrer schlechten Beziehung zur Vorgesetzten bzw. zum Vorgesetzten, zitiert sie aus der jüngsten Gallup-Studie für Mitarbeiterzufriedenheit. Ein Umstand, dessen sich viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in dieser Klarheit wohl kaum bewusst sind.

Peter Wespi, der als zweiter Keynote-Speaker des Abends vor das Publikum tritt, beleuchtet das Thema aus ärztlicher Perspektive. Er verrät, wie er darauf hinarbeitet, die Attraktivität seiner Hausarztpraxis in Dielsdorf zu steigern.

Digitalisierung als Attraktivitätsfaktor

Grosses Potenzial sieht Wespi bei der Infrastruktur. «Junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer legen grossen Wert auf moderne Einrichtungen.» Mit einem zeitgemässen Praxisdesign könne man ein Arbeitsumfeld schaffen, das auch für die heutige Mitarbeitergeneration attraktiv sei und wo die Leute gerne arbeiten würden. Dazu zählt Wespi auch eine weitgehend digitalisierte Arbeitsweise. «Schwere Schubladen mit dicken Papierkrankengeschichten sollten hier keinen Platz mehr finden», meint Wespi.

Man müsse genügend PC-Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Aber auch Innovationen wie Doppelbildschirme sollten in Betracht gezogen werden. Wespi betont auch die Bedeutung einer eigenen Website. «Der Internetauftritt ist heute für die allermeisten Bewerberinnen und Bewerber der erste Kontakt zum neuen Arbeitgeber. Wenn Stellensuchende nach einem Besuch der Website den Eindruck bekämen, dass Mitarbeitende dieser Praxis nicht speziell geschätzt würden, dann habe man als Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber bereits die erste Chance für einen guten Eindruck verpasst.

«Ich finde, unsere MPAs sind eigentlich Praxisspezialistinnen und hätten es verdient, dass das Wort Assistentin aus der Berufsbezeichnung verschwindet» Dr. med. Peter Wespi

Die Arbeitskultur ist gemäss Wespi einer der wichtigsten Faktoren, die darüber entscheiden, ob eine Praxis als attraktiv wahrgenommen wird. Dazu gehöre auch, dass Ärzte mit ihren Angestellten auf Augenhöhe zusammenarbeiteten. Dies zeige sich etwa, wenn ein Arzt eine Patientin der MPA für die weiteren Labor- und Röntgenabklärungen mit einer Erklärung übergebe. Eine Erklärung, die die Patientin mithöre. «Der Arzt berichtet über die pathologischen Befunde und was die weiteren Abklärungen bestätigen sollen oder was ausgeschlossen werden soll». Mit dieser Erklärung signalisiere der Arzt seiner MPA, dass er ihr die Kompetenz zutraue, die Situation medizinisch einordnen sowie die weiteren Abklärungsschritte durchführen zu können.

Ebenfalls relevant sei die Einsicht, dass das Personal Fachkompetenzen besitze, das man als Ärztin oder Arzt selbst nur am Rand abdecke, meint Wespi weiter. Viele MPAs würden die Bedienung der komplexen Labor- und Medikamentenroboter sowie die Qualitätskontrollen bei der Sterilisation und beim Röntgen mindestens so gut, wenn nicht sogar besser, wie ihre Vorgesetzten beherrschen. Es sei deshalb irreführend, von medizinischen Praxisassistentinnen zu sprechen. «Ich finde, unsere MPAs sind eigentlich Praxisspezialistinnen und hätten es verdient, dass das Wort Assistentin bzw. Assistent aus der Berufsbezeichnung verschwindet», sagt Wespi.

Die Bedeutung einer Kommunikation auf Augenhöhe betont auch Elisabeth Dönni, MPK und Mitinhaberin der Tösstal-Praxis, im anschliessenden Podiumsgespräch. Mitarbeitende schätzten die kollegiale Zusammenarbeit mit den Ärztinnen und Ärzten sehr. Dies zeige sich beispielsweise darin, wenn eine Lernende den Mut aufbringe, diesen nachzufragen. Dem pflichtet Führungstrainerin Rutishauser bei. Stichwort psychologische Sicherheit: Wichtig sei es, dass man das Gefühl habe, als Person an einem Arbeitsort offen sagen zu können, wenn man etwas nicht wisse. «Ich darf dreimal dieselbe Frage stellen, ohne dass jemand denkt, ich sei ein Vollidiot.»

Kompetenzen abgeben fällt vielen Ärzten schwer

Zu einer enormen Wertschätzung führe es auch, wenn Mitarbeitende wüssten, dass sich die Ärztin oder der Arzt zu 100 Prozent auf sie verlasse, meint Facharzt Mark Schärer. Dabei sei es keine Selbstverständlichkeit, dass Ärzte dies tun würden. Für sie sei es oft nicht einfach, Kompetenzen abzugeben. «Das fällt uns natürlich sehr schwer. Denn als Hausarzt ist man ja grundsätzlich eher ein Einzelkämpfer. Man ist am Schluss alleine mit dem Patienten, muss täglich sehr viele Entscheidungen fällen.» Es reiche allerdings nicht, dieses Vertrauen und die Wertschätzung einmal im Jahr im Rahmen des Mitarbeitendengesprächs zu zeigen, sie müssten täglich erlebt werden.

Schärer betont auch die Wichtigkeit, MPAs die Möglichkeit zur Weiterbildung zu geben, zum Beispiel zur MPK. Der Beruf werde aktuell noch als Sackgasse-Beruf wahrgenommen. «Man muss davon wegkommen, dass MPA quasi ein Befehlsempfängerberuf ist. Ich sage immer, mein Chef sitzt vorne beim Empfang. Denn es ist ja die MPA, die die Sprechstunde füllt und den Takt vorgibt.»

Peter Wespi erachtet es als wichtig, dass Ärztinnen und Ärzte selbst neue Fachkräfte ausbilden. «Wir sollten ein Arbeitsumfeld schaffen, das es erlaubt, Lernende in unseren Betrieben betreuen zu können.» Seien das MPA-Lehrlinge, seien es Praktikantinnen oder Praktikanten oder eben Assistenzärztinnen und Assistenzärzte. «Wir brauchen dazu eine Ausbildungskultur in unseren Betrieben. Das ist im MPA-Bereich nicht einfach durch eine gute Berufsbildnerin erledigt. Das braucht auch Vorgesetzte bis an die Betriebsspitze, die diese Kultur leben und auch mal Zeit aufbringen, etwas zu erklären», sagt Wespi.  

Die Runde ist sich einig, dass man medizinischen Fachkräften heute mehr bieten muss, als noch vor einigen Jahren. Kommunikation steht dabei weit oben. Dies gilt nicht nur im Rahmen der Zusammenarbeit, sondern auch darüber hinaus. «Es ist wichtig, den Kontakt auch zu Mitarbeitenden, die die Praxis verlassen haben, zu behalten», sagt Dönni. «Wo Angestellte gute Erfahrungen gemacht haben, da kommen sie mitunter auch gerne wieder zurück.»

Tags: Blog, Fachkräftemangel

Kommentare  

+3 #1 MPA 2023-11-23 11:01
Super tolle Einstellung unserem Berufsfeld gegenüber ! Nur leider im Alltag seit vielen vielen Jahren viel zu schlecht umgesetzt oder gelebt !

Ich denke da haben gaaaanz viele Ärzte als "Chefs" enormen Nachholbedarf.
Zitieren

Kommentar schreiben


Sicherheitscode
Aktualisieren